Eveline Breitwieser-Wunderl ist seit 2001 bei Porsche. Sie hat als Marketingleiterin bei der Porsche Bank begonnen, ist dort 2012 in die Personalbetreuung gewechselt und nach der Babypause bei ihren Zwillingen 2016 im Trainingsbereich der Porsche Bank wieder eingestiegen. Im November 2018 hat sie ihre jetzige Aufgabe als Verantwortliche für „Innovative Arbeitswelten und Diversity Management“ in der Porsche Holding Salzburg (PHS) aufgenommen. Im Interview erzählt sie uns von ihrer Arbeit, die derzeit vorrangig die Themenfelder „New Work“ und „Diversity Management“ mit Schwerpunkt Frauenförderung umfasst.
Eveline, warum braucht die Porsche Holding Salzburg so etwas wie eine „Diversity Managerin“?
Der Arbeitnehmer*innenmarkt ist in einem großen Veränderungsprozess und wird sich in den nächsten Jahren weiter verändern. Arbeit wird anders wahrgenommen und will anders gestaltet werden. Daher ist es wichtig, einen eigenen Bereich dafür im Unternehmen zu haben, der sich dieser strategischen Herausforderung in den nächsten Jahren stellt.
Was verstehen wir innerhalb der PHS unter „Diversität“?
Das würde ich gerne so beantworten, wie es in der Volkswagen AG definiert ist: „Diversity Management will sicherstellen, dass der*die richtige Mitarbeiter*in an der richtigen Stelle, am richtigen Ort und zur richtigen Zeit ist.“ Das mag zwar etwas weit gegriffen klingen, aber im Kern geht es darum: Wenn ein Bereich überwiegend männlich oder weiblich dominiert ist, resultiert das in einer Monokultur. Dabei ist heute wissenschaftlich erwiesen, dass heterogene Teams besser zusammenarbeiten und messbar bessere betriebswirtschaftliche Ergebnisse erzielen. Deshalb ist es sinnvoll, sich um Diversität im Unternehmen anzunehmen und Menschen mit unterschiedlichen „Mindsets“ zusammenkommen zu lassen. Das ist das „große Ganze“, das sich für uns hinter diesem Thema verbirgt.
Welche konkreten Ziele hat das Diversity Management?
Wie schon erwähnt es ist ein strategisches Thema und da wird sich in den nächsten Jahren noch viel tun. Jetzt stehen wir am Anfang.
Ein Schwerpunkt ist Gender Balance, also die Ausgewogenheit der Geschlechter auch in Führungsaufgaben zu erreichen. Bei uns bedeutet das, dass wir mehr Frauen in verantwortungsvolle Positionen bekommen wollen bzw. die notwendigen Maßnahmen dafür zu setzen. Wir wollen die zukünftigen High Potentials erreichen und fördern – männlich wie weiblich. Aus meiner Sicht spielt das Thema Flexibilisierung eine zentrale Rolle. Einerseits erwarten die Generationen, die jetzt ins Unternehmen kommen, ganz selbstverständlich eine flexible Arbeitsumgebung. Generation Y wird nicht mehr so arbeiten wie die bisherigen Generationen. Flexible Arbeitszeiten, agile Strukturen, mobiles Arbeiten, Vereinbarkeit von Familie und Beruf – diese Faktoren sind für junge Potentials entscheidend bei der Wahl des Arbeitgebers.
Wie sieht derzeit deine tägliche Arbeit aus?
Ich würde sagen, divers. Kein Tag gleicht dem anderen. Derzeit arbeite ich vorrangig am Projekt „Betriebskindergarten“, den es ab August hier am Standort Salzburg geben wird. Er wird aus zwei Krabbelgruppen und einer alterserweiterten Gruppe bestehen.
Des Weiteren bin ich innerhalb der PHS Projekt-verantwortlich für „Mobiles Arbeiten“ – ein Thema, das aus meinem Verantwortungsbereich „Innovative Arbeitswelten“ herauskommt.
Und dann sind wir als PHS Gastgeber für den internationalen Volkswagen-Diversity-Kongress, der im September bei uns in Salzburg stattfinden wird. Langweilig wird mir nicht.
Hast du ein Team?
Nein, ich habe eine Stabsstellen-Funktion. Ich bin eingebettet in das Team der Personalabteilung und bekomme inhaltlich Unterstützung von der Diversity-Abteilung in Wolfsburg. Die internationale Diversity-Managerin dort hat ein kleines Team um sich. Sie legen den Grundstein für die Diversity-Arbeit und geben konkrete Maßnahmen-Ziele vor, die erreicht werden müssen. Und ich bin gut vernetzt innerhalb des Unternehmens wie auch außerhalb. Das hilft mir bei meiner Arbeit.
Welche Akzeptanz hat das, was du tust, bei den Führungskräften in der PHS? Hast du das Gefühl, das Thema ist in den relevanten Köpfen angekommen?
Schwierige Frage. In den einzelnen Bereichen wird das Thema unterschiedlich wahrgenommen und somit auch unterschiedlich priorisiert. Wenn erkannt wird, dass sich Diversität messbar positiv auf unseren Unternehmenserfolg auswirkt und wir durch mehr Diversität im Unternehmen die Arbeitgeber-Attraktivität steigern, wenn also ein Nutzen und eine Relevanz gesehen wird, dann wird die Akzeptanz steigen.
Wie schätzt du derzeit die „gläserne Decke“ ein?
Die gläserne Decke ist sicher da, da mache ich mir gar keine Illusionen. McKinsey hat im aktuellen Women in the Workplace Report über den „one is the loneliest number“-Effekt berichtet. Das heißt, wenn wir jeweils nur eine Frau (z. B. im Management) vorfinden, so hat sie es ungleich schwerer als wenn sie in einem Umfeld arbeitet, das ausgewogener ist im Bezug auf Geschlechter. Nachdem uns die eigene Wahrnehmung täuscht und wissenschaftlich erwiesen ist, dass Männer bevorzugt Männer einstellen, ist es kein Wunder, warum Frauen dann weniger oft für höhere Positionen vorgeschlagen werden.
Die Gesellschaft ist im Wandel, es tut sich einiges. Bei börsennotierten Unternehmen gibt es z. B. eine gesetzliche Quote – vor allem für Frauen im Aufsichtsrat. Andere Unternehmen verpflichten sich selbst zu Quoten und berichten medial darüber. Uns allen ist bewusst, dass es heute einen „War for Talents“ gibt. Und dass diverse Unternehmen als sympathischer wahrgenommen werden und somit leichter an hoch qualifizierte Bewerber*innen herankommen. Auch wenn jetzt nicht alle „Hurra“ schreien, wird mittlerweile die Notwendigkeit von entsprechenden Maßnahmen erkannt.
Wie stehst du persönlich zur Quote? Das ist ja doch ein immer noch umstrittenes Thema?
Ich persönlich möchte mich nicht gerne als „Quotenfrau“ fühlen müssen, also in einer Position sein, die mir eigentlich keiner zutraut und die ich nur bekommen habe, weil Vorgaben erfüllt werden müssen. Darüber hinaus glaube ich, dass eine Frauenquote für das Unternehmen hilfreich ist. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Frauen ihr Licht gerne unter den Scheffel stellen. Männer sind mutiger, auch wenn sie manche Aufgaben noch nicht so gut können. Frauen hingegen denken sich auch bei mehr als ausreichender Qualifikation oft: „Ich weiß nicht, ob ich das schaffe“ und bewerben sich erst gar nicht um die Stelle.
Darum denke ich, dass die Quote etwas bewirken kann und stehe ihr positiv gegenüber. Je mehr Frauen in Führungspositionen einsteigen können, desto mehr werden sie weitere Frauen nachziehen – das ist zumindest meine Hoffnung. Und sobald eine gewisse Ausgewogenheit im Unternehmen herrscht, verändert sich die Unternehmenskultur. So werden wir attraktiver für die neue Generation von Arbeitnehmer*innen und ziehen diese an. Gleichzeitig werden wir auch Kundinnen und Kunden besser bedienen können, da wir den Markt widerspiegeln.
Wie nimmst du jetzt speziell die Porsche Informatik bei diesen Themen wahr?
Ich finde, es ist spürbar, dass ihr euren Kulturwandel vorantreibt und dass das Thema bei euch „top-down” gelebt wird. Ihr befindet euch mitten im Change – als IT-Unternehmen ist das, getrieben durch die Digitalisierung und den Fachkräftemangel, sicherlich früher spürbar als in anderen Konzernbereichen. Ihr geht sehr bewusst mit diesem Thema um, das ist meine Wahrnehmung. Ich empfinde die Porsche Informatik als vorbildlich, was den proaktiven Zugang zum Change betrifft: Es macht meiner Meinung nach einen wesentlichen Unterschied, ob man sagt „Wir wissen, es kommt viel Veränderung auf uns zu, und wir stellen uns dieser Herausforderung“, oder ob man wartet, bis es weh tut, und dann erst reagiert. Das zeichnet die Porsche Informatik aus.
Diversität wird in der Porsche Informatik sichtbar: Bei euch arbeiten unterschiedliche Leute aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen, jeden Alters. Dabei fällt auf, dass ihr sehr offen miteinander umgeht.
Was die Frauen betrifft, so ist bekannt, dass in MINT-Berufen (Anm. der Red.: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) der Frauenanteil eher gering ausfällt. Hier braucht es bereits in der Erziehung und Ausbildung Maßnahmen. Euer Girls‘ Day ist mir dabei schon positiv aufgefallen.
Diversität hat ja mehr Aspekte als nur das Männer-Frauen-Verhältnis. Ich denke da z. B. auch an Alter? Siehst du das als Thema für die PHS?
Zum Thema „alternsgerechtes Arbeiten“, also den Umgang mit älteren Arbeitnehmer*innen im Konzern, werden bereits Überlegungen angestellt und es ist ein definiertes Handlungsfeld im Rahmen der Personalstrategie der Porsche Holding.
Generell wichtig bei Diversität ist ein Thema, das ich noch nicht angesprochen habe: Inklusion. Es reicht nicht aus, Vielfalt zu haben, man muss sich auch darum kümmern, dass alle gleichermaßen gehört werden und ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten können. Das darf zu einem selbstverständlichen Teil unserer Kultur werden.
Was ist deine persönliche Motivation, dich für Diversität hier bei uns im Konzern einzusetzen?
Ich bin der persönlichen Überzeugung, dass Diversität uns gesellschaftlich gesehen nach vorne bringen wird. Die kanadische Regierung ist übrigens ein perfektes Beispiel für gelebte Diversität. Je bunter die Gremien oder Abteilungen, desto besser ihr Output. Erstens, weil sie gut zusammenarbeiten und zweitens, weil sie die Gesellschaft bzw. Kundenstruktur spiegeln. Es gibt eine Reihe von Beispielen, welche Fehler passieren können, wenn keine Diversität im Unternehmen gegeben ist. Und umgekehrt messbare deutlich bessere betriebswirtschaftliche Ergebnisse von diversen Unternehmen.
Als Frau und Mutter mit über 14 Jahren Erfahrung als Führungskraft ist mir zudem bewusst, welchen Herausforderungen und Schwierigkeiten Frauen beruflich wie privat begegnen – Familie und Beruf bzw. Karriere unter einen Hut zu bringen, um nur ein Beispiel zu nennen – und gleichzeitig, welche Chancen sich Frauen bieten, ihren eigenen Weg zu gehen. Da möchte ich vor allem jungen Frauen Mut machen und sie dabei unterstützen.